Schon als kleines Kind hegte Céline Stettler den Wunsch, einmal beim schwedischen Topteam Pixbo Wallenstam zu spielen. Seit dieser Saison lebt die 23-jährige Bernerin ihren Traum. Gemeinsam mit ihren Nationalteamkolleginnen Lara Heini und Isabelle Gerig möchte sie den schwedischen Meistertitel nach Göteborg holen.
Stefanie Barmet im Gespräch mit Céline Stettler
Céline Stettler, was zeichnet Sie aus?
Ich bin eine äusserst offene, tollpatschige, herzliche, humorvolle und sehr zielstrebige Person, die sehr hart mit sich selbst ist. Zudem bin ich enorm harmoniebedürftig und will mich stets gut mit meinen Mitmenschen verstehen. In Göteborg fällt es mir nicht immer einfach, dass die Liebsten so weit weg sind, dennoch bin ich überzeugt, dass der Wechsel nach Schweden der richtige Schritt war.
Wieso haben Sie sich für Schweden und warum genau für Pixbo Wallenstam entschieden?
Nachdem ich mit 19 Jahren für zwei Jahre nach Finnland gegangen war, wechselte ich auf die Saison 2022/2023 zurück in die Schweiz zu den Kloten-Dietlikon Jets. Im Anschluss an die erfolgreiche WM erhielt ich das Angebot von Pixbo Wallenstam. Schon als Kind hatte ich davon geträumt, für diesen Verein zu spielen – es gibt ein Bild von mir, auf dem ich mich selbst ins Pixbo-Dress gezeichnet habe.
Sie haben bei Pixbo einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Inwiefern stimmen die Wunschvorstellung und
die Realität überein?
Das Team des Traditionsklubs, den es seit 1981 gibt, ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Klub verfügt über eine eigene Nachwuchsakademie und setzt neben Zuzügen auch auf den eigenen Nachwuchs. Ein weiterer Pluspunkt ist die tolle Infrastruktur. So wurde vor zwei Jahren eine neue Unihockeyarena gebaut, und wir haben beispielsweise eine eigene Garderobe – in der Schweiz ist dies unvorstellbar. Allgemein geniesst der Unihockeysport einen viel höheren Stellenwert als in der Schweiz. Viele schwedische Spielerinnen haben ihre Arbeit dem Sport untergeordnet und ziehen weit weg von der Familie, um ihren Traum zu leben. Wir trainieren oft bereits am späten Nachmittag, und hier erhalten auch Frauen einen kleinen Lohn; davon leben kann man aber nicht.
Wie schaffen Sie es dennoch, finanziell über die Runden zu kommen?
Dank dem Absolvieren der Spitzensport-RS kann ich den Unihockeysport professioneller ausüben. Konkret bedeutet
dies, dass ich 130 WK-Tage pro Jahr bestreiten kann. Zudem arbeite ich wie zuvor in einem 50-Prozent-Pensum, wobei ich sämtliche Aufgaben im Homeoffice erledigen und mir die Arbeitszeit selbständig einteilen kann. Mein Traum wäre es, eines Tages vom Unihockeysport leben zu können. Jedoch gibt es momentan selbst in Schweden nur vereinzelte Spieler, die zu 100 Prozent auf die Karte Unihockey setzen können.
Sie gehören zu den ersten drei Unihockeyspielerinnen, welche die Spitzensport-RS absolvieren konnten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt, und was haben Sie davon mitgenommen?
Nach einem langen Selektionsprozess wurde ich als eine von drei Unihockeyspielerinnen und vier Unihockeyspielern für die RS ausgewählt. Insgesamt blicke ich auf eine sehr coole und lehrreiche Zeit zurück – sowohl auf sportlicher als auch auf persönlicher Ebene. Seither trainiere ich mehr und professioneller, da ich insbesondere in den Bereichen Kraft und Athletik enorm viel dazugelernt habe.
Seit Anfang August leben und trainieren Sie nun in Göteborg. Was hat sich verglichen mit Ihrem Alltag in der
Schweiz verändert?
In der Schweiz habe ich in Chur Sportmanagement studiert sowie in Kloten trainiert und gewohnt, während mein Freund in Luzern und meine Familie in Oberlangenegg bei Thun stationiert waren. Vor 22 Uhr war ich selten zu Hause. Ich habe quasi aus dem Koffer gelebt und bin ständig von A nach B gerannt, ohne meinen Liebsten und der Regeneration nur ansatzweise gerecht zu werden. Das war extrem anstrengend und unbefriedigend. Da ich nun sowohl das Studium als auch mein Arbeitspensum online bewältigen kann, bin ich enorm flexibel und kann meine Lauf- und Krafteinheiten analog dem Plan, nach dem ich in Magglingen trainiert habe, durchziehen. Dank dem Kontingent an WK-Tagen kann ich auch mal ein paar Tage nicht arbeiten oder mein Arbeitspensum über einen längeren Zeitraum strecken. Aufgrund der früheren Trainingszeiten bin ich spätestens zwischen 18 und 19 Uhr zuhause, was mir eine viel bessere Regeneration ermöglicht.
Gibt es Dinge, die Sie in Schweden vermissen?
Die Berge und vor allem mein engstes Umfeld fehlen mir. Aber Göteborg ist eine tolle Stadt am Meer, die extrem viel zu bieten hat. Ich habe bereits tolle Menschen kennen gelernt und kann auch hier mich selbst sein. Wann und wie wurde Ihre Liebe für den Unihockeysport entfacht? Eigentlich wollte ich wie meine Eltern und mein Bruder Eishockey spielen, doch mein Vater war der Meinung, dass das nichts für Mädchen sei, und begeisterte mich vorerst fürs Eiskunstlaufen. Durch einen Schulkollegen kam ich dann mit 8 Jahren zum Unihockey. Die Liebe für diese Sportart entfachte sich aber erst, als ich bereits bei der U-21 gespielt hatte. Bis heute fasziniert mich, dass Unihockey eine schnelle, dynamische und kreative Sportart und auch das Training sehr vielseitig ist. Innerhalb von Sekunden kann sich in einem Spiel alles ändern.
Gibt es andere Sportarten, die Sie faszinieren?
In meinem zweiten Leben wäre ich gerne Profifussballerin – die Entwicklung im Frauenfussball verfolge ich mit Begeisterung. Am Wochenende oder an trainingsfreien Tagen spiele ich ausserdem sehr gerne Paddel oder Beachvolleyball.
Und was tun Sie, wenn Sie mal keine Lust auf Sport haben?
Ich versuche es immer mal wieder mit Malen, aber die kreative Ader scheint bei mir nicht vorhanden zu sein. Dafür liebe ich es, in der Küche zu experimentieren, und im Sommer bin ich begeisterte «Aareböötlerin».
Bei der WM waren Sie als Verteidigerin die drittbeste Skorerin. Ihre harten und präzisen Schüsse gelten als Ihr
Markenzeichen. Worin liegen Ihre Stärken und Schwächen als Spielerin?
Ich bin nicht die schnellste Spielerin und auch im Laufspiel nicht die beste – in der Regel kann ich dies aber durch andere Eigenschaften wie meine Stärke im Spielverständnis und Zweikampf kompensieren. Zudem werde ich als Spielmacherin bezeichnet.
Welche sportlichen Ziele und Träume verfolgen Sie?
Mit Pixbo den schwedischen Meistertitel und mit dem Nationalteam den WM-Titel zu gewinnen, ist mein grosser
Traum. Für die zukünftigen Generationen wünsche ich mir, dass ein Leben als Profi möglich ist. Dass ich diese Chance nicht hatte, bringt nicht nur Nachteile mit sich. Ich hatte und habe stets ein Bein im Berufsleben. Damit versuche ich mich zum Teil zu trösten.
Was läuft Ihrer Meinung nach gut im Schweizer Unihockeysport, und wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Es gibt wenige Spitzenteams, die um den Titel kämpfen können. Viele gute Spielerinnen gehen nach Schweden, was zwar zu einem besseren Niveau im Nationalteam, jedoch gleichzeitig zu einem schlechteren innerhalb der Liga führt. Einzelne Klubs haben sich professionalisiert und legen einen stärkeren Fokus auf die Physis. Zudem wurden in den letzten Jahren regionale Leistungszentren aufgebaut, die Spielerinnen sind technisch besser geworden und es gibt immer mehr Sportschulen – das alles sind wichtige Entwicklungsschritte. Damit die ganze Liga besser wird und die Leistungsdichte zunimmt, braucht es aber noch mehr Vereine, welche die Professionalisierung vorantreiben. Meines Erachtens werden Prioritäten seitens der Spielerinnen anders gesetzt als beispielsweise in Schweden. Es fehlt oft auch der Wille, etwas weniger zu arbeiten und sich stärker auf den Unihockeysport zu fokussieren. Auch bezüglich der Geschlechtergleichstellung gibt es noch Potenzial. Es kann meines Erachtens beispielsweise nicht sein, dass nur Herrenteams auf Gerflor-Belag spielen.
Wo möchten Sie in fünf sowie in zehn Jahren stehen?
Als Absolventin der Spitzensport-RS habe ich mich dazu verpflichtet, die nächsten fünf Jahre auf die Karte Unihockey
zu setzen. In fünf Jahren bin ich hoffentlich Weltmeisterin und habe immer noch Freude an dieser tollen Sportart. Mein grösster Wunsch ist es, eines Tages eine eigene Familie aufzubauen. In zehn Jahren bin ich hoffentlich gesund und habe mehr Zeit für mein Umfeld und andere Projekte.
Stefanie Barmet nahm früher mit ihren Schulkolleginnen und Schulkollegen an Unihockeyturnieren teil. Heute unterrichtet die 32-Jährige diverse Sporttalente an einem Berner Gymnasium und ist als Trainerin in der Leichtathletik tätig.
Comments